Kurz nachdem ich tot war

2008
Matthaei & Konsorten, dir.: Lukas Matthaei
Festival ECHT! Politik im freien Theater (bpb Bundeszentrale für Politische Bildung) Köln
Kölner Theaterpreis 2008 – Kurt Hackenberg Preis für das beste politische Theater

(…) Auf dreieinhalb oder vier Stunden Stadterkundung mussten sich die maximal vier „Mitgeher“ bei „Kurz nachdem ich tot war“, dem Stadtraum-und-Stadtgeschichte-Projekt des Regisseurs Lukas Matthaei, gefasst machen. Hintergrund bildeten authentische Biografien von drei Kölner Familien und deren (Liebes-)Beziehungen untereinander. Die Entwicklung dieser Geschichten verschränkte Matthaei mit Originalerzählungen zur politischen Geschichte Kölns, die man über MP3-Player und Kopfhörer hörte, bis man wieder in die von Schauspielern gespielten Szenen eintauchte, die zentrale Momente der Familienentwicklung von den 1930er Jahren bis in die Jetztzeit darstellten. Dazu wanderten die Zuschauergrüppchen durch die halbe Kölner Innenstadt. Faszinierend war dabei, wie sich der semifiktionale Bogen der Geschichte immer dichter entwickelte, weil man selbst Teil der Handlung war. Selten kam einem politische Geschichte so nah. Matthaei hätte einen Preis verdient gehabt.
TAZ, 25.11.2008,  Alexander Haas

(…) Die Mädchen, die die Zuschauer alle 15 Minuten in Vierergruppen abholen, spielen Ingeborg und Ursula im Jahr 1934. Wir begleiten sie in eine kleine Turnhalle, wo uns auf Kopfhörern Zeitzeugen von den 30er-Jahren in Köln erzählen – während die Kinder herumtoben. Ein surreales Bild. Dann werden wir weitergeleitet. „Kurz nach dem ich tot war” ist ein begehbarer Familienroman und eine Zeitreise durch Köln.
In den 40er-Jahren empfängt man uns in einer leeren Anwaltskanzlei in einem alten Ripphahn-Bau am Neumarkt und wir landen mitten in einem Gesinnungsverhör: Wen hätten wir verraten? Sogar unsere Eltern?
Ein Zeitzeuge aus der Nachkriegszeit führt uns dann durch ein Kölner Viertel, das komplett zerbombt wurde. Wir lauschen 1968 in einem Kiosk Kölner DKP-Mitgliedern und sprechen 1986 mit ehemaligen Hausbesetzern an einem typischen WG-Tisch mit Selbstgedrehten und Gewürztee, bis wir schließlich unter den neuen Kranbauten am Rhein im Jahr 2011 ankommen.
Immer wieder kreuzen wir dabei Ingeborgs und Ursulas Lebenswege. Sie werden von sogenannten Doubles dargestellt oder auf Kopfhörern in Zeitzeugenberichten übermittelt. Was ist passiert, was nur inszeniert? Am Ende ist es nicht mehr zu unterscheiden. Wochenlang hat der Künstler Lukas Matthaei in Köln recherchiert und eine fantastische, beglückende Theatererfahrung geschaffen, die den Zuschauer in drei Stunden auf nie geahnte Weise mit sich selbst, der Stadtgeschichte, der Aura von unbekannten Orten und Zeiten konfrontiert.
Deutschlandfunk, Kultur heute, 22.11.2008, Dorothea Marcus